Sûtra Vâhinî

„Sûtra" bedeutet: „Das, was mit wenigen Worten tiefe Bedeutung enthüllt." Erläuterungen zu den Aphorismen der Brahma Sûtras.

ISBN 978-3-932957-35-2


Die VAHINIS sind in digitaler Form auf Englisch kostenlos hier zu finden: open Vahinis

Die deutsche Übersetzung ist als als Buch (Print) beim Sathya Sai Buchzentrum und im Buchhandel erhätlich.
Anmerkung: Es dürfen laut gesetzlicher Vorgabe im deutschen Buchmarkt keine kostenlosen digitalen Bücher, die als gedruckte Version verkauft werden, zur Verfügung gestellt werden. Daher können wir hier nur mit einer Leseprobe dienen.


Leseprobe:

Das erste Wort des ersten Sûtra ist atha und hat die Bedeutung von ,Danach’. Unsere Nachforschung hat ergeben, daß damit der Erwerb dieser vier Errungenschaften gemeint ist: Das Erkennen dessen, was wirklich und was unwirklich ist, das Lösen von Bindungen, die sechs Tugenden und das Sehnen nach Erlösung.
Das nächste Wort ist atas. Es bedeutet ,deshalb’ und fordert zu der Frage ,weshalb?’ auf. Die Antwort ist: Weil das Bewußtsein der göttlichen Wirklichkeit weder durch das Studium der Heiligen Schriften oder der materiellen Welt, noch durch das Einhalten ritueller Vorschriften oder dadurch, daß man dem Vorbild anderer folgt, erworben werden kann, da die materielle Welt und die Menschen, Riten und Aktivitäten vergänglich sind. All das kann dem Verfall und der Auflösung nicht entgehen. Es kann bestenfalls dazu beitragen, den Geist zu läutern. Das ist aber auch alles. Handeln kann den Menschen nicht von seiner fundamentalen Unwissenheit befreien und ihm das Wissen um die Wirklichkeit Gottes vermitteln. Man muß sich dieser Beschränkung bewußt sein, um das Recht zu erwerben, das Geheimnis Brahmans, des Göttlich-Absoluten, der Substanz und Quelle des Universums, erforschen zu können.
Dieses allererste Sûtra unterstreicht die Bedeutung einer Tatsache: Derjenige, der sein Leben der Suche nach dem Wissen um den Âtman, d.h. der Suche nach seinem Überselbst, weiht, muß hohe Tugenden besitzen, die sein Verhalten und alle seine Verbindungen heiligen. Nichts fördert das Wissen mehr als ein tugendhafter Charakter. Man kann sagen, daß Charakter Macht vermittelt. Derjenige, der seine Jahre dem Streben nach höherem Wissen widmet, lernt von jedem Text über geistigen Fortschritt, daß ein guter Charakter eine unbedingte Voraussetzung ist. Jede Religion betont dies, nicht als besondere Bedingung des Glaubensbekenntnisses, sondern als notwendige Voraussetzung spirituellen Lebens und Handelns an sich. Diejenigen, die sich daran halten, kommen niemals zu Schaden. Sie werden durch göttliche Gnade beschützt.
Tugenden sind das beste Mittel, das Bewußtsein des Menschen auf allen Ebenen zu läutern, denn sie lassen ihn erkennen, was seine Pflicht ist und wie er sie erfüllen kann. Nur wer sich ein gutes Schicksal verdient hat, kann Anspruch auf Vollkommenheit seines Unterscheidungsvermögens erheben. Festhalten an diesem Prinzip ist das Floß, das den Menschen über das Meer des Wechsels und der Furcht tragen kann. Der tugendhafte Mensch gehört zu den Erlösten. Zu welchem Handeln er auch noch gezwungen sein mag, solange er tugendhaft bleibt, werden ihm die Folgen seines Handelns nicht schaden. Er kann in Brahman, das Göttlich-Absolute, eingehen.
Es mag jemand viele vedische Opferhandlungen und Riten vollzogen haben; er mag sogar den Inhalt verschiedener Heiliger Schriften, die er studiert hat, auszulegen in der Lage sein; er mag ein Brâhmane sein, der sich in den Veden auskennt; er mag reich sein, Geld oder große Mengen anderer materieller Güter besitzen; er mag ein Lehrer der Veden und verwandter geistiger Disziplinen sein, der um die tiefere Bedeutung der Dinge weiß; wenn aber diese Leute keinen einwandfreien Charakter besitzen, haben sie dort, wo das Wissen um Brahman gelehrt wird, nichts zu suchen. Das ist die Lektion, die dieses Sûtra lehrt.
Der Zustand vollkommener Ausgeglichenheit, der für spirituellen Fortschritt so notwendig ist, wird nur erreicht, wenn der Geist vom Makel der Abhängigkeiten und des In-die-Welt-verwickelt-Seins befreit ist. Ohne dieses erhabene Gelöst-Sein kann die höhere Intelligenz sich Gott nicht nähern. Warum? Weil der Begriff der Tugend nur ein anderer Name für die ,Intelligenz’ ist, die dem Âtman, dem Überselbst, das unsere eigene Wirklichkeit ist, folgt und weil nur der, der solche Tugend besitzt, die Erkenntnis des Âtman, der allem zugrunde liegenden Wirklichkeit, gewinnen kann. Wer diese Wirklichkeit einmal erkannt hat, wird nie mehr im Netz der Täuschungen und Wünsche gefangen; er ist immun dagegen.
Verlangen, die Bindung an die Objekte des Verlangens und das Planen, sich diese zu sichern, sind Kennzeichen des individualisierten Selbst, nicht des Überselbst, des Âtman, der im Körper wohnt. Das Bewußtsein von ,Ich’ und ,Mein’, die Gefühle der Lust und des Zornes entspringen dem Geist-Körper Bereich. Nur wenn dieser Bereich beherrscht und überwunden wird, kann sich wirkliche Tugend einstellen.
Das Gefühl, der ,Handelnde’, der ,Sich-Erfreuende’, der ,Vermittler’ zu sein, mag den Eindruck erwecken, als ob der Âtman beteiligt sei, aber diese Gefühle sind nicht Teil der eigentlichen Natur des Âtman. Ein Spiegel wird nicht im geringsten dadurch beeinflußt, daß sich Dinge in ihm spiegeln und ihre Spiegelbilder erzeugen. Er bleibt so klar wie zuvor. So mag auch der tugendhafte Mensch als Folge seines Handelns in früheren Existenzen zu widersprüchlichen Aktivitäten gezwungen sein, aber diese können sein gegenwärtiges Wesen und Handeln nicht überschatten oder behindern. Die natürlichen, grundlegenden Attribute des Individuums sind: Reinheit, Gelassenheit und Freude. Diese Eigenschaften erfüllen es ganz und gar.