Râma Kathâ Rasa Vâhinî

Wie der Sarayu sich mit dem Ganges vereint und ihre Wasser sich mischen, so vermischen sich auch die Ströme des sanften Mitgefühls und der Hingabe (die Geschichten von Râma und Lakshmana) im Râmâyana.

ISBN 978-3-932957-62-8


Die VAHINIS sind in digitaler Form auf Englisch kostenlos hier zu finden: open Vahinis

Die deutsche Übersetzung ist als als Buch (Print) beim Sathya Sai Buchzentrum und im Buchhandel erhätlich.
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Leseprobe

Râma! Râmacandra! Ich werde dir die Erfüllung deines Wunsches nicht abschlagen; sobald du nur zustimmst, wird der Bogen zum Opferfeld gebracht. Ich werde ferner verkünden, daß jeder, der es wagt, ihn zu heben und zu spannen, es versuchen kann.“ Als Janaka, der Herrscher, so sprach, sahen Râma und Lakshmana einander an, erwiderten aber nichts, denn sie warteten auf die Weisungen des Meisters, dem sie bis dahin gefolgt waren. Und schon antwortete Vishvâmitra, der die Geschicklichkeit und Stärke der Brüder kannte. Er sagte, daß das, was Janaka vorgeschlagen habe, getan werden könne, und daß er nicht zu befürchten habe, daß sich ihm irgendein Hindernis in den Weg stellen würde. Janaka kündigte an, daß er Sîtâ dem zur Frau geben werde, der den Bogen hochheben und spannen würde, wer er auch immer sei, denn er habe gelobt, daß Sîtâ nur mit einer Person solcher Prägung verheiratet werde. Vishvâmitra billigte auch dieses Vorgehen.

Janaka verließ den Weisen und kehrte zum Palast zurück. Er ging die Aufgabe an, den Bogen in die Opferhalle zu bringen. Eine Proklamation, daß der Bogen öffentlich ausgestellt werden sollte, wurde herausgegeben und an soviele Könige und Prinzen wie möglich überbracht. Es wurde versucht, den achträdrigen Wagen mit der Truhe, die den Bogen enthielt, mit einer Anzahl kräftiger Schwergewichtler in den Opferbezirk zu ziehen; doch konnten sie ihn nicht einen Schritt weit bewegen. So wurden noch mehr Männer von gigantischer Kraft herbeigerufen, Hand anzulegen, um die schweren Ketten zu ziehen, die am Wagen befestigt waren, und ihn zusätzlich von hinten anzuschieben. Als der Bogen schließlich in den heiligen Bezirk hineinmanövriert war, hießen ihn die Priester mit freudigen Hymnen willkommen.

Der Morgen dämmerte. Die neun traditionellen Musikinstrumente hoben an zu einem Lobgesang, der bis zum Himmelsgewölbe aufstieg. Muschelhörner erschallten laut. Durch Gesang und Ritual wurden die Auspizien des Tages verkündet. König Janaka betrat den Opferbezirk, begleitet von einer Gruppe von Priestern, und mit Dienern, die die Gegenstände für die zeremonielle Verehrung des Bogens trugen. Schon lange vor diesem Zeitpunkt war der Bezirk gefüllt mit Königen, Prinzen, Ministern, Höflingen, Weisen und vedischen Gelehrten. Als Janaka hereinkam, erhob sich die ganze Versammlung, um dem Herrscher des Reiches Ehre zu erweisen. Die vedischen Pandits sangen laut Hymnen, sie riefen die Götter an, damit sie Gnade herabströmen ließen. Wie aus einem Munde drang ihre Anrufung zum Himmel. Andere trugen Passagen aus den Veden vor. Alle waren so von Erwartung erfüllt, daß sie ohne die geringste Bewegung der Augenlider gebannt zusahen.

Janaka ging in Ehrfurcht um das Fahrzeug mit dem Bogen herum und brachte ihm Blumenopfer dar, während Gesänge ertönten, um ihn günstig zu stimmen. Er verbeugte sich vor dem göttlichen Bogen, und dann wandte er sich zu der erlauchten Versammlung. Er sprach: „Verehrung den Weisen! Ich heiße alle willkommen, die zu dieser Versammlung gekommen sind! Seit vielen Jahren haben meine Vorväter wie auch viele andere Monarchen, wie ihr alle wißt, diesen göttlichen Bogen verehrt. Außerdem ist bereits wohlbekannt, daß niemand, sei er ein Gott oder Dämon, seien es Halbgötter, Schutzgeister, das Gefährt Gottes oder ein himmlisches Wesen oder ein Bösewicht -, daß niemand bisher in der Lage war, den Bogen hochzuheben, ihn zu halten oder gar zu spannen! Alle, die es versuchten, sind beschämt wieder umgekehrt. Trotzdem habe ich heute beschlossen, den Bogen erneut in den heiligen Bezirk zu bringen. Wer immer auch von euch hier Versammelten diesen Bogen anhebt oder, wenn er ihn anhebt, spannt, oder wenn er ihn spannt, einen Pfeil auflegt, oder wer das Gewicht des Bogens in seinen Händen halten kann, der möge vortreten und die Gelegenheit wahrnehmen; der Bogen befindet sich hier vor euch.“ Mit diesen Worten verbeugte sich Janaka mit gefalteten Händen vor der Versammlung und setzte sich auf den Löwenthron.

Vishvâmitra warf Râma lächelnd einen flüchtigen Blick zu. Râma näherte sich geschwind dem Fahrzeug und hob mit seinem linken Arm den eisernen Dekkel hoch. Und mit seiner Rechten holte er, als sei es nichts Besonderes, ohne Anstrengung den Bogen aus seiner Truhe! Er hielt den Bogen hoch, er blickte um sich, und er fand auf jedem Gesicht Erstaunen! Die Tausende, die Zeugen des Wunders waren - Bürger, Könige und Prinzen, Weise und Greise - zollten einen solchen Beifall, daß der Himmel den Jubel widerschallen ließ! Schon spannte Râma den prächtigen Bogen! Mit köstlicher Leichtigkeit legte er einen Pfeil auf! Und zog die Sehne bis zum Ohr zurück, um ihn abzuschießen. Der Bogen aber zerbrach!

Alles in der Runde geriet durch den seltsamen, unerwarteten Knall in Verwirrung und Angst. Viele wurden ohnmächtig, einige schrien vor Schreck laut auf; andere flohen in Panik. Die Weisen beteten zu Gott. Wozu das noch genauer beschreiben? Die gesamte Versammlung, ausgenommen Janaka, Vishvâmitra und die Brüder Râma und Lakshmana, war in unbeschreibliche, nicht zu beruhigende Angst versetzt!

Da erhob sich Janaka von seinem Sitz, warf sich vor Vishvâmitra zu Boden und sagte: „Meister! Es gibt niemanden auf Erden, der behaupten kann, mehr Kraft zu haben als Râma; solche Kraft ist nicht von dieser Erde. Ich löse mein Wort ein; ich gebe ihm, der diesen Bogen gehoben, gespannt und zerbrochen hat, Sîtâ zur Frau.“